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Versicherungen im Werbebereich

Amerikanische Verhältnisse herrschen noch nicht. Dennoch: Das Haftungsrisiko für Agenturen ist grösser geworden. Sie werden vermehrt zur Kasse gebeten für Schaden, welcher durch rechtsverletzende Werbung entsteht.

"Persönlich" wollte es wissen und startete im Mai 2001 eine Umfrage bei allen grösseren Versicherungsgesellschaften der Schweiz. Und dies waren die Fragen:

1. Wieweit können Werbeagenturen berufliche Haftpflichtrisiken versichern, vergleichbar den Haftpflichtversicherungen von Rechtsanwälten und Treuhändern?

2. Welches sind die Gründe dafür, dass viele Versicherungen Vermögensschäden im Werbebereich nicht versichern?

3. Welche besonderen Angebote werden Werbeagenturen im Hinblick auf berufliche Haftpflichtrisiken insbesondere bezüglich Vermögensschäden unterbreitet?

Vielfältige Antworten
Problemlos versicherbar sind bei allen Versicherungsgesellschaften die Haftpflichtrisiken infolge von Personen- und Sachschäden. Die reinen Vermögensschäden indes zählen bei den meisten Versicherungen nicht zum üblichen Deckungsumfang einer Betriebshaftpflichtpolice. Reine Vermögensschäden entstehen insbesondere aus Immaterialgüterrechtsverletzungen oder wegen Ehr- und andern Persönlichkeitsverletzungen.

Der Bedarf ist ausgewiesen
Mehrere Versicherungen bestätigen, dass der Bedarf nach Versicherungsmöglichkeiten im Kommunikationsbereich ausgewiesen ist. Die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft schreibt: "Entsprechende Deckungsmodelle in Ergänzung zu bestehenden Verträgen sind bei uns in Prüfung". Ähnlich lautet der Befund der Basler Versicherungsgesellschaft: "Im Verlauf des Sommers dieses Jahres werden wir ein neues Produkt zur Abdeckung von Netzrisiken auf den Markt bringen. In beschränktem Rahmen werden wir dabei auch Haftpflichtansprüche als Folge von Urheberrechtsverletzungen decken. Darüber hinaus bieten wir keine solchen Deckungen an". Die Antwort der "Basler" schliesst mit der Einladung: "Falls Sie jedoch einen Bedarf und eine entsprechende Nachfrage für eine auf die Werbebranche zugeschnittene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung sehen, sind wir gerne bereit, über die Entwicklung eines solchen Produkts zu sprechen".

"Zürich" versichert Beratungsrisiken
Das umfassendste Angebot an Versicherungsmöglichkeiten im Bereich Vermögensschäden bietet die Zürich-Versicherungsgesellschaft an. Zwar gilt auch hier der Grundsatz: "Die Haftung aus reinen Vermögensschäden ist nur sehr eingeschränkt versicherbar." Doch folgt dieser Regel ein beachtlicher Ausnahmekatalog: "Eine Versicherung (für Vermögensschäden) wird Unternehmungen angeboten, die sich auf die reine Beratung beschränken. Im Normalfall ist dies dann allerdings nicht eine Werbeagentur, sondern ein Unternehmensberater. Diese Deckung wird nur sehr gut qualifizierten Personen ("Ausbildung/Berufserfahrung") angeboten. Wir versichern die Berufe in der Rechts- und Finanzberatung (Rechtsanwalt, Notar, Treuhänder, Unternehmensberater, Vermögensverwalter), Ingenieure und Architekten können sich gegen Ansprüche infolge von Mängeln sowie Architekten auch gegen Vermögensschäden als Folge von Mängeln davon versichern." Zudem bietet die Zürich-Versicherungsgesellschaft Deckung für Unternehmungen aus der IT-Branche an.

Die versicherbaren Berufsgruppen verfügen allesamt über eine höhere Ausbildung und führen z.T. geschützte Berufsbezeichnungen. Sie arbeiten überdies primär im Auftragsverhältnis.

Es liegt also an den Branchenverbänden, den Bedarf bei den Mitgliedern abzuklären und die Kontakte zu den Versicherungen herzustellen.

Zusatzversicherungen sind tückisch
Zur Grundausstattung der Berufshaftpflichtversicherung bieten verschiedene Versicherer Zusatzversicherungen insbesondere für "Bearbeitungs- und Obhutsschäden" an.
Bei diesen sollte man das Kleingedruckte besonders gut lesen. Das zeigt ein Beispiel einer Zusatzversicherung für "Bearbeitungs- und Obhutsschäden". In den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) zur Basisversicherung (Betriebshaftpflicht-Versicherung) heisst es, Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen oder an deren Stelle tretende Ansprüche auf Ersatzleistungen wegen Nichterfüllung oder nicht richtiger Erfüllung, insbesondere Ansprüche für Mängel und Schäden, die vom Versicherungsnehmer durch Arbeitsleistung verursacht wurden, seien nicht gedeckt.

In den Allgemeinen Bedingungen (AVB) zur Zusatzversicherung für "Bearbeitungs- und Obhutsschäden" heisst es dann: "Die Versicherung erstreckt sich auf die gesetzliche Haftpflicht für Schäden an Sachen, die ein Versicherter zum Gebrauch oder zur Bearbeitung übernommen hat sowie für Schäden, die an Sachen infolge Ausführung oder Unterlassung einer Tätigkeit eines Versicherten an oder mit ihnen entstanden sind" (Verstanden??? Bitte ehrliche Antworten schriftlich an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.).

... und danach der Deckungsausschluss
Unmittelbar nach der Deckungszusage folgt ein Dekkungsausschluss: "Von der Versicherung ausgeschlossen sind Ansprüche aus Schäden an Sachen, die ein Versicherter zur Verwahrung oder Beförderung, in Kommission oder zu Ausstellungszwecken übernommen oder die er gemietet, geleast oder gepachtet hat, sowie Ansprüche aus Schäden an Sachen oder Teilen davon, an oder mit denen eine Tätigkeit unmittelbar ausgeführt wurde oder hätte ausgeführt werden sollen (Verstanden??? Bitte ehrliche Antworten schriftlich an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.). Als nicht versicherbare Tätigkeiten gelten in dieser Zusatzversicherungen auch die "Projektierung und Leitung, die Erteilung von Weisungen und Anordnungen, die Überwachung und Kontrolle sowie ähnliche Arbeiten" (z.B. Funktionsproben).

Was ist nun tatsächlich versichert?
Hand aufs Herz – wer weiss nach dem Gelesenen, was versichert ist und was nicht? Wenn zum Beispiel das Repro-Atelier beim Auspacken einer Postsendung angeliefertes Fotomaterial mit einem Brieföffner beschädigt? Ist dies nun ein Schaden an einer in Gewahrsam genommenen Sache, der vor oder nach der eigentlichen Bearbeitung unvorhergesehen oder unfallmässig eingetreten und damit versichert ist? In der Tat: Immer dann, wenn ein Schaden an einer nicht unmittelbar bearbeiteten Sache eintritt, weil z.B. dem Versicherungsnehmer ein Missgeschick unterläuft, dann ist dieser Folgeschaden durch die Zusatzdeckung der Obhutsversicherung gedeckt. Häufigstes Beispiel ist aus Verschütten schädlicher Flüssigkeit oder Chemikalien auf Gegenstände. Nicht gedeckt sind aber alle Schäden, die in der "unmittelbaren Bearbeitungsphase" entstehen. Sämtliche vertragliche Arbeitsleistungen sowie deren Garantie- und Gewährleistungsansprüche sind nicht Gegenstand der Versicherungsdeckung.

 

* Bruno Glaus ist Rechtsanwalt in Uznach und Dozent für Medien- und Kommunikationsrecht am SPRI, am MAZ und an der SAL. Im Herbst 2000 erschien im persönlich-Verlag sein Lehrbuch "Das Recht der kommerziellen Kommunikation."

 

Werbung:
Qualifizierte Berufsgruppe oder nicht?
Gemäss "persönlich"-Umfrage bei den Versicherungen können sich Werbe- und PR-Agenturen aus folgenden Gründen nicht gegen Vermögensschaden-Risiken versichern:

Grundsätzlich ist das Unternehmerrisiko nicht versicherbar. Zum Unternehmerrisiko zählt die richtige Ausführung, der von einer Unternehmung je nach Branche typischerweise zu erbringenden Leistungen. Die Vertragserfüllung sowie Leistungen, die anstelle der Vertragserfüllung treten (z.B. Kosten für Nachbesserung, Einbussen wegen Minderung, etc. sind nicht versicherbar. Ausnahmen: Besonders qualifizierte Berufsgruppen mit abschätzbarem Risiko.

Dass die Werbebranche Vermögensschäden nicht versichern kann, erklärt die "Zürich"-Versicherungsgesellschaft (wie andere Versicherungen) folgendermassen:
• absolvierte Ausbildungen sind im Vergleich zu anderen Branchen (Ingenieure, Anwälte etc.) wenig aussagekräftig für die Qualität der Arbeit. Das Vorschreiben bestimmter Ausbildungen ist somit kein taugliches "Underwritingmittel".

• Starkes Werkvertragselement im Beratervertrag. Oft unklare Vertragsverhältnisse (nachzulesen im Kapitel "Die Tücken des Beratervertrags" in Glaus, "Das Recht der kommerziellen Kommunikation", Rapperswil 2000, S. 60 f.).

• Der wohl wichtigste Fall der Schadenforderungen ist der Misserfolg einer Werbekampagne, den der Versicherungsnehmer zu verantworten hat. Gerade bei solchen Fällen ist die mögliche Schadenshöhe bei Vertragsabschluss praktisch nicht abschätzbar. Zudem kann ein allfälliger Schaden kaum quantifiziert werden. Es handelt sich hier um das Risiko, das vertraglich abgefangen werden sollte.

• Auch bei der Versicherung für reine Vermögensschäden gelten eine Reihe von Ausschlüssen, die den Wert einer Deckung für die Werbeagenturen beträchtlich einschränken würden. Nie versichert sind z.B. Kostenüberschreitungen in Projekten sowie Ansprüche wegen Terminüberschreitungen. Zudem wird bei Grobfahrlässigkeit die Versicherungsleistung für reine Vermögensschäden gekürzt.

• Die Sicherstellung der Einhaltung der Normen bezüglich der Immaterialgüterrechte muss eine Kernkompetenz von Werbeagenturen sein, da sich ihre Tätigkeit schwerpunktmässig in diesem Bereich abspielt. Es handelt sich hier also um einen Teil des Unternehmerrisikos, den die Versicherungen nicht versichern wollen.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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