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Psychoterror in der Agentur - Mobbing, Bossing, Bullying

Auch in den Agenturen wird Mobbing als neues gesellschaftliches Phänomen zum Thema. Eine Modeerscheinung? Agenda-Setting von Medien? Oder Grund zur kritischen Betrachtung aus aktuellem Anlass?

Der Mitarbeiter kam. Die Probezeit verlief zufriedenstellend. Doch schon bald änderten sich die ersten guten Eindrücke, vorerst schleichend, dann zugespitzt. Klimawechsel. Der "Komische" isolierte sich. Er eckte an, wurde aufbrausend. Er machte blöde Sprüche und lachte, wo Lachen nicht am Platz war. Auf der Chefetage gingen Gerüchte um. Ein gestörter Typ, hiess es. Fehlbesetzung! Stellenausschreibung ganz im Stillen. Nur wenige wussten davon. Bis es zum Eklat kam. Entlassung. Und so weiter.

Was ist Mobbing
Mobbing ist mehr als der tägliche (normale) Ärger. Mobbing ist ein psychosozialer Stress, welcher körperliche, psychosomatische und psychische Beschwerden (Symptome) nach sich zieht. Mobbing bedeutet soviel wie "systematische Ausgrenzung eines Gruppenmitglieds", "systematische Anfeindung am Arbeitsplatz", "über jemanden herfallen", Mobbing steht für "unterschwellig existierende und nicht offen zu Tage tretende Konflikte am Arbeitsplatz", für "schikanöses Verhalten von Vorgesetzten, KollegInnen und unterstellten Mitarbeitern" (alle Zitate aus Ralf D. Brinkmann, Mobbing, Bullying, Bossing - Treibjagd am Arbeitsplatz, Heidelberg, 1995, S. 9ff.).

Ursprünglich wurde der Begriff von Konrad Lorenz geprägt, als Beschreibung eines Angriffs einer Gruppe von Tieren auf einen Eindringling. Heute werden verwandte Begriffe wie Bullying (im angelsächsischen) für tyrannisieren, einschüchtern oder schikanieren gebraucht. Für die systematische Schikane durch Vorgesetzte beginnt sich der Begriff "Bossing" durchzusetzen.

Ursachen von Mobbing
"Es scheinen nicht die gebrandmarkten Personen zu sein, die den Ärger und später auch ihren Ausschluss vom Arbeitsplatz hervorriefen. Die Ursachen scheinen gezielt feindliche Massnahmen zu sein, die ein Angstverhalten nach sich zogen, das dann wieder zu weiteren Gehässigkeiten der Umwelt führt", wird der Mobbing-Forscher Heinz Leymann bei Brinkmann (S. 13) zitiert.

Nährboden für Mobbing sind Spannungen oder Probleme im Betrieb, die längere Zeit nicht gelöst werden können. Mobbing kann auch als "misslungener Konfliktlösungsversuch" bezeichnet werden, Sach- und Beziehungsebene werden vermischt. Es entstehen Aggressionen und Feindseligkeiten, die sich aus fast beliebigem Anlass auf einen Sündenbock richten. Mobbing entsteht aus dem Zusammenwirken mehrerer Einflussfaktoren, z.B.

• unklare strukturelle Verhältnisse
• unklare arbeitsorganisatorische Abläufe
• übermässiger Stress und Hektik am Arbeitsplatz
• Suchtverhalten von Gruppen
• ungenügende Führungsstruktur und Führungsfähigkeiten
• depressive oder repressive Unternehmenskultur
• nicht geregelte Verantwortungsbereiche
• arbeitsorganisatorische Leerläufe
• unzureichendes Kommunikationssystem
• fehlende ethische Normen

Woran erkennt man Mobbing?
Abzustellen ist auf die Konfliktsignale, auf die problematische Persönlichkeitsstruktur von Vorgesetzten, auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, auf Gruppenverhalten (fremde Artgenossen bewirken das Zusammenschliessen der Gruppe) etc. Konfliktsignale sind selten in Reinform vorhanden. Bewertungskonflikte, Beurteilungskonflikte, Verteilungskonflikte, Beziehungskonflikte und Rollenkonflikte können sich überschneiden.

Liegen Indizien für Mobbing vor, kann auch danach gefragt werden, ob sich der Betrieb durch vorbeugende Eigenschaften auszeichnet: Prävention durch Aufklärung, regelmässige Mitarbeitergespräche, sorgfältiges Personalauswahl- und Personal-Entwicklungswesen, partizipativer Führungsstil von Vorgesetzten, Mitarbeiter-Coaching etc.

Die Eskalationsphasen von Mobbing
Von Mobbing wird in der wissenschaftlichen Literatur nur dann gesprochen, wenn Attacken auf eine Person absichtlich, regelmässig und über eine lange Zeitdauer systematisch erfolgen (vergl. dazu Rehbinder/Kraus, Psychoterror am Arbeitsplatz, ArbR 1996, S. 17). Man unterscheidet das subtile Stadium, das Druckstadium und das Terrorstadium.

Die Opferpersönlichkeit (das Opferprofil)
Es gibt Personen, die sich besser und solche, die sich schlechter als Sündenbock anbieten. Die Persönlichkeit eines Menschen spielt indes erfahrungsgemäss bei der Entstehung und Entwicklung eines MobbingProzesses keine - oder nur eine untergeordnete - Rolle (Psychoscope 9/97, S. 5).

Empirische Daten zum Mobber-Verhalten
Untersuchungen zeigen, dass vor allem Gleichgestellte zum Mobbing neigen. Es lassen sich fünf Gruppen von Mobbing-Handlungen unterscheiden:

• Einschränkungen der Kommunikationsmöglichkeiten des Mobbing-Opfers
• Entzug der sozialen Unterstützung
• Demontage des sozialen Ansehens
• Reduzieren der Arbeits- und Lebenszufriedenheit
• Beeinträchtigung von Gesundheit und Wohlbefinden.

 

Zu jeder der fünf Gruppen gibt es nach Brinkmann eine Reihe von Kontrollfragen.

Unterscheidung von Mobbing und Nicht-Mobbing
Ob konfliktträchtige Verhaltensweisen als systematische "Mobbing-Aktion" qualifiziert werden müssen, hängt - will man einzelnen Gerichtsentscheiden folgen - auch vom Zweck der Handlungen bzw. Vorwürfe ab: Handeln die Mobber aus Schädigungsabsicht, ist dies ein Hinweis auf Mobbing.

 

Checkliste für Sie:
Zur Hauptsache liegen die Auslöser für Mobbing in ungünstigen Arbeitsbedingungen. Kreuzen Sie bei dieser Checkliste (publiziert im "Brückenbauer Februar 1998") die Fragen an, die Sie mit "Ja" beantworten müssen. Je mehr Fragen Sie ankreuzen, desto grösser ist das mobbingfördernde Klima in Ihrem Betrieb.

• Alltägliche Konflikte werden nicht angesprochen und bereinigt.

• Die Rollen, Kompetenzen und Zuständigkeiten sind nicht transparent.

• Die mangelnde Übereinstimmung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung (Aufgaben mit quantitativer Überlastung und qualitativer Unterbelastung, monotone Arbeit, geringe Selbstbestimmung in der Arbeit und anderes) äussert sich im Alltag in mangelnder Entscheidungs- und Handelsfreiheit.

• Mein Vorgesetzter/meine Vorgesetzte gibt mir ungenaue Instruktionen.

• Die Kommunikation im Team und zum/zur Vorgesetzten ist mangelhaft.

• Arbeitsbezogene Probleme können nicht gemeinsam gelöst werden.

• Das Betriebsklima ist geprägt durch Misstrauen, schlechte Beziehungen unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und unangenehmes Verhalten des/der Vorgesetzten.

• Ich habe entscheidungsschwache Vorgesetzte, die bei Konfliktsituationen nicht eingreifen.

• Mein Vorgesetzter/meine Vorgesetzte hat eine Laisser-faire-Haltung oder einen autoritären Führungsstil.

• Unsere Abteilung steht in einem Umstrukturierungsprozess; die Transparenz bezüglich Arbeitsorganisation und deren Veränderung ist mangelhaft.

 

Hilfsangebote
Bei der Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing (GpSM) Schweiz, c/o Kaufmännischer Verband Zürich, Pelikanstrasse 18, Postfach 6889, 8023 Zürich, Telefon 01 211 33 22 , den VPOD-Sekretariaten sowie der Mobbing Beratungsstelle Zürich, c/o Patientenstelle, Posthaus Schaffhauserplatz, Hofwiesenstrasse 3, 8042 Zürich, Telefon 01 361 92 56, oder bei der Bernischen Beratungsstelle für Mobbingfragen (BBSM) Telefon 032 665 51 88 (Montag 07.20 - 09.00, Mittwoch 12.00 - 13.00, Freitag 16.30 - 18.00 Uhr) können weitere Informationen oder Adressen von Fachleuten (ÄrztInnen, JuristInnen, OrganisationsberaterInnen, PsychologInnen, PsychotherapeutInnen) für Vorträge oder Beratungen erfragt werden.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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