Schriftlichkeit fördert die Kommunikation. Schriftlichkeit fördert die Konzentration. Schriftlichkeit fördert die Qualität. Schriftlichkeit reduziert das Konfliktpotential. Ein Plädoyer für die Abkehr von der Viehhändlermentalität.
Die Söhne und Töchter der Viehhändler sind überzeugt, Vertrauen sei besser als (schriftliche) Verträge. Sie verfechten dieses Schönwettermodell immer (und heftig) bis zum ersten Gewitter (vergl. dazu „persönlich“ Dezember 2001). Dass Schriftlichkeit Klarheit stiften, Ordnung ins Wirrwarr bringen, falsche Hoffnung beseitigen oder gar die Effizienz steigern könnte, sei am nachfolgenden Beispiel illustriert.
Fallbeispiel „Testimonial-Kampagne“
Die Agentur X. wurde mit der Konzeption und Realisierung eines Gesamtprojekts beauftragt. Auftraggeberin ist ein Konzern (oder ein Kanton), vertreten durch einen Unternehmensteil (oder eine Trägerorganisation). Die Agentur soll im Rahmen dieses Projekts eine Testimonialkampagne in Radio, Fernsehen und Printmedien realisieren, eine Kampagne, aufbauend auf berühmten und weniger berühmten Namen („Testimonials“) und deren Aussagen. Zitate zur Zeitgeschichte stehen für die Sache des Werbeauftraggebers. Die Testimonials sollen, so der Auftrag, in einem Buch und einem Video gesammelt, eine Momentaufnahme zum Expo-Jahr 2002 werden.
Die Agentur beauftragt freie Fotografen und VJ’s mit der Realisation, produziert und geschnitten wird im Studio L. und im Verlag W. Das Gesamtkunstwerk wird mitfinanziert von Sponsoren. Diese verlangen Gegenleistungen, Werbeauftritte, Namensnennung, Raum für Selbstdarstellung im Buch und auf Video. Was wiederum - verständlich - Abwehrreflexe bei den Buchgestaltern und Videoproduzenten provoziert, weil die einen die „reine“ Kunst und die andern Kommunikation auf dem Parkett der Kunst suchen. Es kommt zum Konflikt, weil Interessen kollidieren, Interessen, welche nicht deutlich genug und von Anfang an, sondern erst auf halbem Weg, artikuliert wurden. Dabei hätte richtig verstandene Vertragsarbeit manches Missverständnis klären können.
Was ist gute Vertragsarbeit?
Ein guter Vertrag ist nicht zwingend das Werk eines Rechtsgelehrten, was manchmal heissen kann: rechtsdogmatisch clean, aber wenig praktisch, vor allem schwer verständlich. Ein guter Vertrag klärt Abläufe, legt Vernetzungen dar und formuliert Interessen. In komplizierten Fällen beginnt man mit einer Skizze (Phase 1). Man „zeichnet“ das System der Beziehungen auf (siehe Kasten). Jedes Verbindungsstück wird numeriert, jeder Nummer wird ein Blatt zugeordnet, auf welchem Stichworte zum Gegenstand der Leistungen, zu den Erwartungen, zum Ablauf, zu den Terminen und zu den (technischen) Anforderungen aufgelistet werden (Phase 2). Man nennt dies ablauforientierte Vertragsgestaltung (vergl. AJP 12/2001, S. 1472 ff.). Es geht darum, zu jedem Teil des Systems aufzeigen, wer was, unter Einbezug von wem und bis wann zu tun hat?
Gefährlicher Rückgriff auf Vertragsmuster
Wenn Kunstschaffende und/oder Kreativagenturen Vereinbarungen doch einmal schriftlich treffen, greifen sie gerne auf „Vertragsmuster“ zurück. Man schreibt ab, kopiert, lädt herunter, passt an oder schneidet heraus. Doch diese „Muster“ sind selten ablauforientiert. Sie zeigen keine Prozesse auf, regeln Verantwortlichkeiten kaum. Sie ordnen Pflichten den Parteien zu, nicht aber verantwortlichen Personen. Mit einem rechtssystematisch gegliederten Vertragsaufbau laufen die Parteien Gefahr, abstrakt über Rechte und Pflichten zu diskutieren. Sie übersehen, dass die Festlegung von Rechten und Pflichten nur eine Funktion des Vertrages ist. Die rechtssystematische Gliederung eines Vertrages kann und soll bestenfalls die letzte Stufe eines Verhandlungsprozesses sein (Phase 3, siehe Kasten „Checkliste“). Dabei ist der Frage der Urheberrechtsübertragung oder der blossen Übertragung von Nutzungsrechten sowie des Eigentums an Daten besondere Beachtung zu schenken (vergl. dazu „persönlich“ März 2002, Vereinbarungsvariante siehe Kasten).
In komplizierteren Projekten sollte immer damit begonnen werden, das System aufzuzeichnen. Darauf wird die ablauforientierte Zuteilung der Verantwortlichkeiten vorgenommen (was, wer, unter Einbezug von wem, bis wann?). Die Niederschrift des Vertragsablaufs zwingt die Beteiligten überdies zur Präzision und zur nachträglichen Kontrolle. Das Vereinbarte wird ihnen - anders als bei mündlichen Abmachungen - „vor Augen geführt“. So verstanden fördert Vertragsarbeit die Verlässlichkeit - und dient der zwischenmenschlichen „Friedenssicherung“.
Auch Bestätigungsschreiben sind Verträge
Wer auf formalisierte Verträge verzichten will, kann auf das Mittel des Bestätigungsschreiben (oder des Sitzungsprotokolls mit Gegenzeichnung) zurückgreifen. Bestätigungsschreiben und unwidersprochene Protokolle zuhanden der Beteiligten sind Beweismittel, sie sind ein Indiz für den Abschluss und den Inhalt der bestätigten Vereinbarung. Es gilt der Grundsatz, dass ein über Wochen unwidersprochen gebliebenes Bestätigungsschreiben rechtsverbindliche Wirkung entfaltet, es sei denn, der schweigende Empfänger weise nachträglich nach, dass das Bestätigungsschreiben „vom Verhandlungsergebnis derart abweicht, dass nach Treu und Glauben nicht mehr mit dem Einverständnis des Empfängers gerechnet werden darf“ (BGE 114 II 250ff. ebenso 123 III 41).
V E R E I N B A R U N G
zwischen (Bestellerin)
und (Unternehmerin)
betreffend
Urheberrechtsübertragung und Urheberrechtsabgeltung
1. Ausgangslage
Die Bestellerin hat die seit zwei Jahren bestehende Zusammenarbeit vertrags- und gesetzeskonform aufgelöst. Zwischen den Parteien bestand Uneinigkeit bezüglich der Frage, wieweit mit den bisherigen Vergütungen das volle Urheberrecht an den von der Unternehmerin erstellten Signeten, Logos, Marken, Grafiken und Karikaturen übertragen worden sei, und die Unternehmerin / Künstlerin demzufolge reproduzierfähige, digitalisierte Objektdaten herauszugeben habe.
2. Abgeltung bisheriger Leistungen und Übertragung des Urheberrechts
Die Parteien einigen sich wie folgt: Die Unternehmerin / Künstlerin überträgt der Bestellerin an den im Anhang verzeichneten Signeten, Logos, und Grafiken zu den nachfolgend bezifferten Bedingungen das volle Urheberrecht. Die Vereinbarung schliesst den Verzicht auf Geltendmachung der verzichtbaren Urheberrechte ein. Diese Vereinbarung schliesst jedoch keine Urheberrechtsübertragung bezüglich der Karikaturen ein. Diese dürfen ausschliesslich zum bisher vereinbarten Zweck verwendet werden.
Die Übertragung des Urheberrechts an den verzeichneten Werken erfolgt
a) medienbezogen: unbeschränkt für Print-, elektronische und für jede Art von neuen Medien und Produkte;
b) zeitlich: unbefristet;
c) geografisch: eingeschränkt auf das zur Zeit nur in der Schweiz tätige Unternehmen und ihre Unternehmensteile, Räumlichkeiten und Produkte.
Weiter schliesst die Übertragung des Urheberrechts auch den Verzicht auf die Geltendmachung von verzichtbaren Urheberpersönlichkeitsrechten ein, insbesondere die Möglichkeit der Logo-Erweiterung mit ergänzenden Zusätzen (vorbehalten bleibt das Verbot persönlichkeitsverletzender Entstellung der Werke bzw. Werkteile). Die Bestellerin verzichtet insbesondere auf die Geltendmachung des Urhebernennungsrechts.
Die Übertragung des Urheberrechts schliesst die ordnungsgemässe Übergabe von reproduzierbaren, digitalisierten Objektdaten zu den einzelnen Werken bzw. Werkteilen auf X-Press ein. Die Unternehmerin / Künstlerin veranlasst allfällige Drittunternehmungen, welche durch sie mit der Datenverarbeitung beauftragt wurden, zur Herausgabe der Datenobjekte. Allfällige Rechtsansprüche von datenverarbeitenden Dritten gehen zu Lasten der Unternehmerin / Künstlerin.
3. Entschädigung
Die Bestellerin bezahlt auf das Konto der Unternehmerin / Künstlerin bei der ................... innerhalb von 10 Tagen nach Übergabe der Daten folgenden, die MWST einschliessenden Betrag: Fr. ............... (in Worten: ....................................................)
4. Rechts- und Sachgewähr
Die Unternehmerin / Künstlerin leistet Gewähr dafür, dass an den zu übergebenden Objektdaten keinerlei Sachmängel bestehen. Die Bestellerin hat eine Prüfungs- und Rügepflicht und bestätigt nach Prüfung an dem von ihr zu bestimmenden Ort, dass die übergebenen Objektdaten sachmängelfrei sind.
Die Künstlerin bestätigt mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung, dass an den zu übergebenden Objektdaten keinerlei Rechtsansprüche Dritter bestehen. Sie befreit die Bestellerin von jeglichen Rechtsansprüchen Dritter, welche entgegen dieser Rechtsgewähr nachträglich geltend gemacht werden sollten.
Die Unternehmerin bestätigt weiter, dass weder sie noch von ihr beigezogene Dritte irgendwelche immaterialgüterrechtliche Registerrechte angemeldet haben. Soweit solche angemeldet oder registriert worden sind, tritt sie die vollen Rechte an die Bestellerin ab.
5. Saldoklausel
Mit der ordentlichen Erfüllung der vorgenannten Verpflichtungen erklären sich die Parteien per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche aus der vertraglichen Zusammenarbeit auseinandergesetzt.
von Dr. iur. Bruno Glaus