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Vertragsdiktat durch Werbeauftraggeber

Ein halbes Dutzend Werbeauftraggeber hat das Vertragsdiktat gegenüber Agenturen übernommen. Ihre Vertragsentwürfe stammen aus der gleichen Küche. Agenturen argwöhnen: Handelt es sich um ein Abschiedsgeschenk des früheren SWA-Geschäftsführers?

"Einzelne Werbeauftraggeber wollen den Fünfer und das Weggli", klagt der Inhaber einer ASW-Agentur, "sie wollen bis ins letzte Detail mitbestimmen, dann aber doch die Gesamtverantwortung ablehnen". Der dies feststellt, ist in guter Gesellschaft. Auch grosse BSW-Agenturen, die bisher nach den BSW-"Arbeitsgrundsätzen" (neu: "Branchengrundsätze") gearbeitet haben, sind mit dem "Mustervertrag" aus der Auftraggeber-Küche konfrontiert worden. Uni sono heisst es: "Juristenfutter statt Kreativität", "kaum machbar" oder "der Sache nicht dienlich".

Auszüge aus dem "Mustervertrag
"persönlich" hat einige Bonmots aus dem "Mustervertrag" herausgepflückt:

"Die Auswahl der externen Produzenten und Lieferanten erfordert die schriftliche Genehmigung seitens der Kundin /Auftraggeberin. Die Agentur bleibt gegenüber der Kundin trotz Genehmigung für das Erbringen der Leistungen vollumfänglich und allein verantwortlich".

"Die Kundin kann die Agentur schriftlich zum Beizug eines bestimmten Subunternehmers verpflichten. In diesem Fall trägt die Kundin allfälligen Schaden aus mangelhafter Leistung des Subunternehmers, wenn die Agentur beweist, dass sie den Subunternehmer richtig eingesetzt und gehörig beaufsichtigt hat."

"Wenn die Agentur mit Zustimmung der Kundin Dritte beizieht, muss sie mit diesen einen Vertrag abschliessen und ihnen alle Verpflichtungen aus diesem Vertrag überbinden".

"Die Realisation erfolgt unter der Überwachung und Verantwortung der Agentur."

"Kostenvoranschläge enthalten auch detaillierte Angaben zu allfälligen Rechten Dritter, welche nicht auf die Kundin übergehen".

"Die Kundin kann jederzeit Änderungen der vereinbarten Leistungen beantragen."

"Wenn die Agentur zusätzliche Leistungen benötigt, muss sie einen schriftlichen Kostenvoranschlag zur Genehmigung vorlegen, vor allem bei Leistungsänderungen, welche Anpassungen und Veränderungen auf Honorar- oder Kostenseite bedingen, müssen vor der Realisation schriftlich genehmigt werden".

Verträge mit Subunternehmern
Agenturen müssen nach diesem Vertragsmuster beim Sub-Contracting alle Verpflichtungen aus dem Vertrag auf Arbeitnehmer, beigezogene Freelancer und andere "Drittunternehmungen" übertragen. Dass dies in dieser absoluten Form kaum möglich ist – und auch nicht Sinn macht! – zeigt das folgende Beispiel. Im erwähnten "Mustervertrag" heisst es: "Die Agentur überträgt der Kundin alle Nutzungsrechte, d.h. das volle Urheberrecht uneingeschränkt. Das übertragene Recht umfasst auch das freie Recht zur Bearbeitung. Die Agentur stellt durch entsprechende Vereinbarungen mit Angestellten, Hilfspersonen und Dritten sicher, dass sämtliche im Zusammenhang mit dem Projekt entstandenen Rechte auf die Kundin übertragen werden kann".

Muss Agentur Mitarbeitern kündigen?
Viele Agenturen haben mit ihren Mitarbeiterinnen nicht die volle Rechtsübertragung und schon gar nicht das Bearbeitungsrecht ausbedungen. Sie müssten nach dem strengen Wortlaut des "Mustervertrages ihre Verträge mit den Mitarbeitern mit Änderungskündigungen anpassen, weil die volle Rechtsübertragung und das Bearbeitungsrecht nicht gegen den Willen eines Mitarbeiters durchgesetzt werden kann.

Auch beim Einkauf von Bildern aus Bildarchiven (und anderen künstlerischen Werken) können nur selten uneingeschränkte Rechte eingekauft werden. Ganz zu schweigen von der Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften (ProLitteris, Suisa, etc.). Mit andern Worten: der leidige "Mustervertrag" verlangt von der Agentur Dinge, die gar nicht erfüllbar sind.

Auch Persönlichkeitsrechte als Schranke
Auch Persönlichkeitsrechte können in der Regel nur zur beschränkten Nutzung erworben werden. Man denke an die Bildrechte, die ein Modell lizenziert. Kein Modell wird in ein beliebiges Bearbeitungsrecht einwilligen, kein Modell wird Bildrechte zeitlich, örtlich und sachlich uneingeschränkt übertragen – es sei denn zum Jahrhundertpreis. Das aber wollen die Auftraggeber doch wieder nicht – wie die rigide Klausel zum Kostenvoranschlag zeigt.

Gespräche dringend notwendig
Welche Schlüsse müssen Agenturen ziehen? Zum einen werden die Agenturen nicht darum herum kommen, ihren freien Mitarbeitern und die Unternehmungen, welche sie bei Konzeption und Realisation beiziehen, gewisse Pflichten zu überbinden und sich im grösstmöglichen Umfang die Rechtsübertragung sicherzustellen (siehe Muster nebenstehend!). Im grösstmöglichen Umfang! Denn, wenn die künstlerisch beste Lösung verunmöglicht wird, weil eine volle Rechtsübertragung nicht möglich ist (weil Persönlichkeitsrechte oder Urheberrechte nicht im vollen Umfang erworben werden können), müsste auch der Werbeauftraggeber an der qualitativ besten Zwischenlösung interessiert sein! Die da heisst: Beschränkte Nutzungsrechte für den definierten Werbeauftritt. Dieses Spannungsfeld müssten SWA, BSW und ASW dringend zum Gegenstand gemeinsamer Gespräche machen. Der zur Zeit kursierende "Mustervertrag" kann zwar eine anregende (oder provozierende?) Gesprächsgrundlage sein, kaum aber der faire und qualitätsorientierte Interessenausgleich. An diesem müssten aber alle Beteiligten ein grösstes Interesse haben. Nur so ist qualitativ gute Werbung machbar!

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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