Der ASW-Ordner zum "Werbeleistungsvertrag" hat den Zorn der SWA-Geschäftsstelle auf sich gezogen. Grund: Die Werbeauftraggeber seien nicht in die Arbeiten einbezogen worden. Der SWA kündigt eine "gründliche" Überprüfung an.
Die Peitschen – (Pardon!) Seiten-Hiebe der SWA-Geschäftsstelle richten sich auf Personen und auf ein Vertragswerk. Auf Personen, weil man nicht in die Arbeiten einbezogen worden sei, wie Fredi Schwab in einem Gespräch erläuterte. Auf das Vertragswerk, weil darin von einer alten, langjährigen Rechtsauffassung abgewichen werde.
Früher Entweder-Oder
Das SWA-Info vom 01. Oktober 2001 lässt tatsächlich einen Rechtsstreit aus den 70er und 80er Jahren wieder aufleben. Damals diskutierten die Werberechtler heftig, ob der Werbevertrag nun (ausschliesslich) dem Auftrags- oder aber (ausschliesslich) dem Werkvertragsrecht unterstehe. Der Streit geht auf eine (zwischenzeitlich längst überholte, ältere) Bundesgerichtspraxis zurück. Alles was nicht eindeutig als Werkvertrag, Arbeitsvertrag oder Vermittlungsgeschäft qualifiziert werden konnte, unterstellte das Bundesgericht dem Auftragsrecht. Gemischte Dienstleistungsverträge gab es nach der damaligen Praxis nicht. Das konnte den Werbeauftraggebern deshalb recht sein, weil sie den Werbevertrag nach Auftragsrecht "jederzeit" auflösen konnten (Art. 404 OR). Das wiederum schätzten die Agenturen weniger, doch profitierten sie nach Auftragsrecht von einer eingeschränkten Haftungsregelung. Sie mussten lediglich sorgfältig tätig sein, sie hafteten nach Auftragsrecht aber nicht dafür, dass die von ihnen gelieferten Werke auch wirklich die vorausgesetzten oder vereinbarten Eigenschaften aufwiesen.
Praxisänderungen 1983
Das Bundesgericht hat 1983 dem Entweder (Auftragsrecht) / Oder (Werkvertrag) ein Ende bereitet. Im Zusammenhang mit einem Architekturvertrag hielt es fest, komplexe Vertragsverhältnisse könnten nicht einfach dem Auftragsrecht oder dem Werkvertragsrecht unterstellt werden. "Art. 394 Abs. 2 OR zwingt demnach nicht dazu, ein komplexes Vertragsverhältnis, wie den Architektenvertrag, entweder ganz als Auftrag oder ganz als Werkvertrag zu beurteilen. Die Anerkennung gemischter Verträge erlaubt den Vertragspartnern, wie dem Richter, den Umständen angepasste Lösungen zu finden, die der Rechtswirklichkeit besser entsprechen als eine einheitliche Qualifikation" (BGE 109 II 460). Im gleichen Jahr, aber kurz zuvor, hatte das Bundesgericht entschieden, dass auch geistige Schöpfungen dem Werkvertragsrecht unterstehen können, wenn sich der geistige Gehalt materialisiert manifestiere (BGE 109/1983 II 37). Die Auffassung des Bundesgerichts wird mit einer Ausnahme von allen Experten geteilt. Auch David / Reutter führen dazu im jüngsten (und umfassendsten) Werberechts-Kommentar aus: "Im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können damit auch von der Werbeagentur geschaffene Geisteswerke nach Werkvertragsrecht beurteilt werden" (S. 396).
SWA muss Haltung überprüfen
Trotz der erwähnten Praxisänderungen schreibt der SWA im Oktober-Info Folgendes: "Nach bisherigem Recht handelt es sich bei den Leistungen einer Agentur um ein geistiges Werk, somit galt und gilt das Auftragsrecht nach OR. Dieses Recht gilt beispielsweise für Architekten, aber auch für Werbeagenturen". Damit stellt sich der SWA nicht nur gegen die Bundesgerichtspraxis, sondern auch gegen die Mehrheit der Experten.
Werbevertrag schlechthin gibt es nicht
Der Zufall will es, dass unmittelbar vor dem SWA-Flash der Kommentar von Lucas David und Mark A. Reutter "Schweizerisches Werberecht", Zürich 2001, erschien und dazu Folgendes ausführt: "Anzumerken ist in dieser Hinsicht, dass die von den Werbebranchen-Verbänden herausgegebenen Vertragsmuster wie auch die spärliche Literatur offenbar eher davon ausgehen, dass der Werbevertrag umfassend dem Auftragsrecht unterzuordnen ist. Diese Ansicht ist kaum zutreffend und zu wenig differenziert. (-) Je nach Ausgestaltung im Einzelfall kann ein umfassender Werbevertrag in gewissen Bereichen dem Auftragsrecht unterstehen, in anderen Belangen aber nach werkvertraglichen Regeln beurteilt werden. (-) Einen Werbevertrag schlechthin gibt es nicht. Entsprechend kann es auch keine allgemeine Qualifikation des Werbevertrags geben.(-) Einzeln betrachtet, fallen die Tätigkeiten der Werbeagentur in einigen Bereichen unter Auftragsrecht. In anderen Bereichen können sie aber auch werkvertraglicher Natur sein.
Nur dann, wenn die Erbringung von blosser Beratung durch die Werbeagentur im Vordergrund steht, und nicht die Ablieferung von Ergebnissen (gestalteten Werken), ist nach Auffassung der Autoren David und Reutter von einer "Prädominanz des Auftragsrechts" auszugehen.
Realität widerspricht SWA-Auffassung
Viele heute kursierenden "Rahmenverträge" sprechen indes nicht für solche Prädominanz des Auftragsrechts. Ein sowohl BSW- als auch ASW-Mitgliedern unterbreitetes Vertragsmuster von SWA-Mitgliedern bezeichnet beispielsweise als Vertragsgegenstand "die Entwicklung und Realisierung eines Kommunikationskonzepts sowie die Entwicklung und Realisierung der entsprechenden Werbemittel". Teil des Vertrages sind "Gestaltungsarbeiten bis hin zur fototechnischen Bearbeitung, Texte und Übersetzungen sowie produktionstechnische Aufwendungen". Das SWA-Mitglied behält sich vor, "jederzeit schriftlich Änderungen der vereinbarten Leistungen anzubringen", nachdem es sich bereits verpflichtet hat, "frühzeitig die für die Vertragserfüllung erforderlichen Vorgaben bekanntzugeben". Die Agentur gewährleistet "vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaften" an den selbstkreierten Werken. Das SWA-Mitglied bedingt sich in diesem Vertragsmuster ausdrücklich eine "Nachbesserungspflicht der Agentur" aus.
Solche und ähnliche Vertragsformulierungen weisen auf Werkvertragskomponenten und keineswegs auf eine Prädominanz des Auftragsrechts hin. Etwas vereinfacht ausgedrückt: Vieles, was nach Art. 9 des Reglements über die Anerkennung von Werbeagenturen, welcher die fachlichen Voraussetzungen für full-Service Werbeagenturen regelt, unter die Phasen 3 und 4 (Konzeption und Realisation) fällt, untersteht dem Werkvertragsrecht. Die Phasen 1 (Situationsanalyse) und Phase 2 (Kommunikationsstrategie) unterstehen eher dem Auftragsrecht.
Der SWA kündigt im SWA-Info vom 01. Oktober 2001 an, er werde den Werbeleistungsvertrag des ASW gründlich prüfen lassen. Wünschenswert ist, dass die Werbeauftraggeber die Praxis der eigenen Mitglieder und die veränderte Bundesgerichtspraxis in die Überprüfungen einbeziehen.
Klarstellung
Im SWA-Info vom 1. Oktober 2001 wird auf das neue Vertragswerk des ASW zum "Werbeleistungsvertrag" Bezug genommen. Der Flash bedarf in mehrfacher Hinsicht einer Richtigstellung. Er interpretiert sowohl die Autorenrechte am ASW-Vertrag als auch den Vertragsinhalt unzutreffend (vergl. dazu auch www.werbeleistungsvertrag.ch, insbesondere auch Rubrik "Interview", sowie "Tagebuch").
Falsch ist insbesondere die Unterstellung, der ASW wolle mit dem Werbeleistungsvertrag alle Agentur-Arbeiten dem Werkvertragsrecht unterstellen. Richtig ist, dass im ASW-Vertragswerk darauf hingewiesen wird, dass längst nicht alle Leistungen einer Agentur dem Auftragsrecht unterstehen, sondern sehr häufig gemischtvertragliche Verhältnisse vorliegen (worauf "persönlich" in der Rubrik Recht mehrfach hingewiesen hat). Wenn der SWA schreibt "Nach bisherigem Recht handelt es sich bei den Leistungen einer Agentur um "ein geistiges Werk", somit galt und gilt das Auftragsrecht nach OR", ist dem die veränderte Bundesgerichtspraxis entgegenzuhalten (BGE 109 II 37ff. und 109 II 464ff, bestätigt in BGE 114 II 56 (BGE 114 II 56: "Entscheidend ist jedoch, dass mit der Anerkennung des Geist-Werkvertrages durch die jüngere bundesgerichtliche Rechtsprechung die selbständige Ausführung von Projektierungsarbeiten, welche in einem zu realisierenden Projekt ihren Niederschlag finden, den Bestimmungen der Art. 363ff. OR über den Werkvertrag zu unterstellen ist".)
Das Bundesgericht hat in den erwähnten Entscheiden festgehalten, auch geistige "Werkleistungen" könnten durchaus dem Werkvertragsrecht unterstehen, deshalb seien Architekturverträge sehr häufig "gemischte Vertragsverhältnisse" (was auch für viele Werbeleistungsverträge gilt). So hat die Gerichtspraxis beispielsweise Foto- oder Filmaufnahmen, gestalterische Arbeiten, Übersetzungen, Konzeptarbeiten dem Werkvertragsrecht unterstellt. Hier erwartet der Auftraggeber, dass das Werk zum vereinbarten oder vorausgesetzten Gebrauch taugt (Erfolgshaftung). Und wiederholt hat das Bundesgericht die Haftung für einen Planfehler dem Werkvertragsrecht unterstellt, jene für unsorgfältige Aufsicht dem Auftragsrecht (BGE 109 II 466: "Art. 394 Abs. 2 OR zwingt demnach nicht dazu, ein komplexes Vertragsverhältnis, wie den Architektenvertrag, entweder ganz als Auftrag oder ganz als Werkvertrag zu beurteilen. Die Anerkennung gemischter Verträge erlaubt den Vertragspartnern, wie dem Richter, den Umständen angepasste Lösungen zu finden, die der Rechtswirklichkeit besser entsprechen als eine einheitliche Qualifikation").
Dass sich die Werbebranchen-Verbände längst mit der veränderten, für die Werbeauftraggeber insgesamt etwas vorteilhafteren, Rechtslage auseinandergesetzt haben, der SWA aber dagegen opponiert, ist erstaunlich. Die von einzelnen SWA-Mitgliedern gelebte Vertragspraxis orientiert sich denn auch deutlich am Werkvertragsrecht. Die Agenturen müssen (und wollen!) dafür gradstehen, dass die von ihnen erbrachten Konzeptions- und Realisationsleistungen zum vereinbarten und/oder vorausgesetzten Gebrauch taugen. Der SWA vertritt offenbar die Auffassung, die wenigsten Agenturen seien selbst realisierend tätig, die meisten seien nur Berater und Mittler von Leistungen. Erfreulicherweise sind aber weiterhin sehr viele Agenturen konzipierend und realisierend tätig.
von Dr. iur. Bruno Glaus