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Sturz von Montageplattform

Die Zahl der Berufsunfälle hat von 2021 auf 2022 markant zugenommen. Blieben die Zahlen in den Vorjahren im Bereich von 275‘000 relativ stabil, stiegen sie innert einem Jahr um fast sechs Prozent auf 293’132. Einzelne Schicksale werden jeweils durch die veröffentlichten Bundesgerichtsentscheide publik. Hier eine Kostprobe, die zeigt, dass der Teufel oft im Detail steckt.

Ein Montagearbeiter stürzt aus 3.5 Meter Höhe von einer Montageplattform auf den Betonboden. Er erleidet verschiedene Frakturen und ein Schädeltrauma. Schwere Verletzungen, würde man meinen. Oder doch nur mittelschwere? Nach der Bundesgerichtspraxis ist der Unterschied insbesondere bei den Restfolgen eines Unfalles entscheidend. Bei schweren Unfällen prüft das Gericht nicht im Einzelnen, ob die verbleibenden Restfolgen wirklich auf den Unfall zurückzuführen sind. Es besteht die Vermutung, dass bei einer gewissen Schwere, solche Beschwerden einhergehen. Bei leichten und mittelschweren Unfällen hingegen, prüfen die Gerichte anhand einer Gesamtwürdigung weiterer objektiv erfassbarer Umstände (zum Beispiel körperlicher Dauerschmerz, schwierige Heilverläufe, erhebliche Komplikationen, Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit, etc.), ob die Restfolgen wirklich nur auf den Unfall zurückzuführen sind. Man spricht vom «Kausalitätsnachweis». Nach der Gerichtspraxis werden bei Stürzen aus vier und weniger Metern nur mittelschwere Unfälle angenommen. Es muss somit für die Restfolgen die Kausalität, die Unfall-Bedingtheit, nachgewiesen werden. Die oftmals für Laien langwierigen und kaum verständlichen Entscheide drehen sich oft – wie hier – um scheinbare Banalitäten. Die Krux liegt dann aber in den Details, wie Figura zeigt.

Der Montagearbeiter stellt sich auf den Standpunkt, in seinem Fall sei die Sturzhöhe mehr als vier Meter gewesen. Er mass vom Boden bis zu seinem Kopf. Da hatte er die Rechnung ohne den Wirt – das Bundesgericht – gemacht. Das Bundesgericht entschied, die Sturzhöhe bemesse sich aus dem Abstand vom Boden bis zum Fuss des Stürzenden. Somit mussten die Restfolgen in einer Gesamtwürdigung von weiteren objektiv fassbaren Umständen geprüft werden. Im konkreten Fall wurde verneint, dass diese Folgen noch unfallursächlich sind. Somit musste die Unfallversicherung deren Kosten nicht mehr übernehmen. Die Krankenversicherung wird zur Kasse gezogen und der Stürzende trägt dabei den Selbstbehalt und die Franchise.

 

Von MLaw Lisa Stöckli, publiziert in der Linth Zeitung, im Sarganserländer und im Werdenberger&Obertoggenburger


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