Blog

Schreckensmoment auf Bergwanderung

Ein Berggänger war mit seiner Frau auf einem öffentlichen Wanderweg unterwegs. Dieser führte durch eine Kuhweide, welche mittels Elektrodraht eingezäunt war. An beiden Enden der Weide gab es einen Durchgang, welcher mit einem sogenannten Torgriff geöffnet und geschlossen werden konnte. Als die beiden die Weide durchquert hatten, packte er den Griff und jäh durchfuhr ihn ein fürchterlicher Schmerz. Als er den Plastikriff genauer betrachtete, sah er, dass ein Draht um den Griff gewickelt war und dieser unter Strom gesetzt wurde. Ein Lausbubenstreich oder ein Bauer, der sich nicht zu den Wanderfreunden zählt?

Darf ein Grundeigentümer oder Pächter mit solchen Machenschaften die Wanderer auf Distanz halten? Nein! Der vorliegende Sachverhalt stellt einen strafrechtlich relevanten Tatbestand dar. Ob ein Stromschlag bereits als einfache Körperverletzung gewertet wird oder ob es sich dabei um eine blosse Tätlichkeit handelt, muss in jedem einzelnen Fall geklärt werden. So oder so blüht dem Fehlbaren aber zumindest eine Busse. Der Unterschied zwischen einfacher Körperverletzung und Tätlichkeit besteht in Folgendem: Bei einer Körperverletzung ist die körperliche Integrität derart beeinträchtigt, dass mindestens eine kurze Heilzeit oder Behandlung erforderlich ist. Blosse Tätlichkeit liegt vor, wenn Schürfungen, Kratzwunden, Quetschungen oder blaue Flecken offensichtlich so harmlos sind, dass sie in kürzester Zeit ausheilen. Der Wanderer hatte Glück. Der Stromschlag verursachte keine weitreichenden Verletzungen. Es blieb beim stechenden Schmerz und grossen Schrecken.

Somit liegt vorliegend nur eine Tätlichkeit vor. Einen Rechtfertigungsgrund dafür gibt es aber nicht. Der in Verdacht stehende Bauer kann nicht geltend machen, solche Vorkehrungen seien zum Schutz seiner Weide notwendig. Einerseits wanderten die beiden auf einem öffentlichen Wanderweg, welcher ihnen erlaubt, durch die Weide zu marschieren. Auch wenn sie sich andererseits auf einem nicht öffentlichen Wanderweg befunden hätten, sind solche Abwehrmassnahmen nicht zu rechtfertigen. Das Zivilgesetzbuch statuiert in Art. 699 ein weitgehendes Zutritts- und Durchgangsrecht von Wald und Weiden. Solche Machenschaften können zudem nicht als angemessenes Abwehrmittel im Sinne der zulässigen Notwehr gelten.

 

Von MLaw Lisa Stöckli, publiziert in der Linth Zeitung, im Sarganserländer und im Werdenberger&Obertoggenburger

Foto von Jakob Cotton auf Unsplash


Diese Website benutzt Cookies. Wenn Sie die Website weiter nutzen, gehen wir von Ihrem Einverständnis aus. Datenschutzerkärung