Konzernturbulenzen bringen bestehende Kommunikationsverbindungen ins Wanken. Der neue CEO bricht laufende Kampagnen ab, eine ganze Mannschaft wird ausgewechselt, auch auch die Werbeagentur. Leidtragende sind die Agenturen, die auf das Wort der (früheren) Projektleiter vertrauten.
Der "Linie" ist es peinlich, wenn sie auf halber Strecke zurückgepfiffen wird. In solchen Momenten ist die Versuchung gross, irgendwelche Mängelrügen zu konstruieren, um sich der bisherigen Agentur zu entledigen, wie im "persönlich" vom Februar und April 2001 aufgezeigt wurde.
Die neue Führung kann sich indes auf diesem Umweg nicht der vertraglichen Verpflichtungen entledigen. Sie ist an die früheren Abmachungen gebunden, sie muss sich das Handeln der alten Garde anrechnen lassen, sie muss bei schuldhafter Vertragsauflösung, Schadenersatz zahlen.
Stellvertreter verpflichten die Unternehmung
Nicht nur Mängel werden vorgeschoben, auch Kompetenzüberschreitungen der alten Mannschaft werden ins Feld geführt, um laufende Verbindlichkeiten ins Wanken zu bringen. Solchen Versuchen sind indes die Stellvertretungsregeln von Art. 32 Abs. 1 OR entgegen zu halten: "Wenn jemand, der zur Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst, so wird der Vertretene und nicht der Vertreter berechtigt und verpflichtet" (Art. 32 Abs. 1).
Die grösseren Unternehmen, auch Agenturen, Galerien und Verbände, handeln meist über ihre Stellvertreter - durch vertraglich Bevollmächtigte oder durch Organe der juristischen Person. Diese handeln im Sinne von echten Stellvertretern auf Namen und auf Rechnung der Gesellschaft oder des Vollmachtgebers. Wo Stellvertreter ausnahmsweise im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung handeln, spricht man von unechter Stellvertretung (darauf zugeschnitten sind insbesondere die Auktion und die Kommission). Keine Stellvertreter sind Personen, die nur als Boten oder als Vermittler tätig sind (z.B. Mäkler, Art. 412ff. OR).
Stillschweigende Vollmacht
Die Vollmacht zur Stellvertretung kann auch stillschweigend erteilt werden. Ein Vertragspartner kann aufgrund der Umstände konkludent auf die Stellvertretungsbefugnis schliessen. Es wird dann von einer "Anscheins- oder Duldungsvollmacht" gesprochen (BGE 118 II 316). Allerdings darf eine Anscheinsvollmacht dort nicht leichthin angenommen werden, wo erhebliche finanzielle Verpflichtungen zu Lasten des Vertretenen anfallen (vergl. dazu BGE 118 II 313).
Schranken der Anscheinsvollmacht
Die verbindliche Anerkennung von Rechnungen setzt in der Regel eine ausdrückliche Vollmacht des Auftraggebers (oder Bauherrn) voraus. Wo Werbeleitung oder Bauleitung einer Agentur oder einem Architekten übertragen wurde, kann der beauftragte Unternehmer aufgrund von Art. 396 Abs. 2 OR nicht annehmen, der Werbeleiter oder Architekt sei zur Anerkennung der von ihm geprüften Rechnungen ermächtigt". Der Vertretene muss sich das Wissen und das Wissenmüssen des Vertreters anrechnen lassen (Anm. Gauch OR-AT Rz 1444). Überdies muss sich der Vertretene anrechnen lassen, wenn er Mitarbeiter gewähren lässt oder den Anschein erweckt, sie wären bevollmächtigt ("Anscheinsvollmacht" oder "Duldungsvollmacht").
Handeln ohne Vollmacht
Überschreitung der Vollmacht ist Vertretung ohne Vollmacht. Der Vertretene ist nur an jenen Teil gebunden, welcher sich in dem (erkennbaren) Rahmen der Vollmacht bewegte (Teilnichtigkeit). Wer ohne Vollmacht handelt (oder die Vollmacht überschreitet) wird nach Schweizerischem Recht nicht persönlich verpflichtet (anders in Deutschland, vergl. BGB § 179 Abs.1), hingegen ist er gegenüber dem getäuschten Dritten schadenersatzpflichtig (Gauch OR-AT Rz 1420).
Stufenverhältnisse
Der Vertreter kann für sich und im Namen mehrerer anderer handeln. Dies ist im Kunstbereich vor allem beim sogenannten "Stufenverhältnis" der Fall. Es schliesst dabei der Bandleader oder die Wortführerin einer Künstlergruppe ein Werk- oder Arbeitsverhältnis ab, zu dessen Erfüllung sich die Verantwortliche Person weiterer (Hilfs)-Personen bedient, welche aber keine direkten vertraglichen Bindungen mit dem Veranstalter haben. In Bundesgerichtsentscheid 112 II 41ff. ging es um die ungerechtfertigte Auflösung eines "gestuften Arbeitsverhältnisses". Das Bundesgericht hielt dabei unter Berufung auf den Entscheid 98 II 305 fest, in jedem einzelnen Fall müsse geprüft werden, ob künstlerisches Schaffen auf einem Arbeitsvertrag oder auf einem gemischten Vertragsverhältnis (so der Architekturvertrag, BGE 109 II 462) beruhe. Immaterielle Schöpfungen könnten auch Gegenstand von Werkverträgen sein.
Stellvertretung bei Gruppenverhältnissen
BGE 112 II 48 : "Le contrat "en cascade" ne constitue toutefois pas l'unique forme juridique que peuvent revêtir les rapports contractuels liant un groupe de travailleurs (un orchestre, par exemple) à un employeur. Il existe d'autres possibilités, ainsi, suivant les circonstances, le contrat pourra être conclu par l'employeur avec chaque membre du groupe pris isolément; il pourra l'être aussi avec le groupe en tant que tel, formant une société simple si le chef d'orchestre fait alors office d'intermédiaire pour la conclusion du contrat, il agira, dans la première éventualité, comme représentant direct de chaque membre individuel du groupe (art. 32 CO) et, dans la seconde, comme représentant de tous les associés (art. 543 CO); dans l'un et l'autre cas, il n'aura pas qualité pour agir en justice à titre personnel contre l'employeur pour le compte d'un membre du groupe (art. 32 al. 1 CO) ou pour celui de la société simple (art. 544 al. 1 CO)".
Verträge mit dem Gemeinwesen
Vorsicht geboten ist beim Verhandeln mit Vertretern des Gemeinwesens. Diese sind teilweise gesetzlichen Formvorschriften unterworfen. Auf das blosse Wort eines einzelnen Beamten kann nicht blind vertraut werden. Das zeigt – aus der deutschen Gerichtspraxis – das Fallbeispiel einer städtischen Kunstgalerie, welche während eines Ausstellungsprojekts geschlossen wurde (vergl. dazu das Kapitel "Verzug"):
Auftraggeber in Verzug
Kann der Auftraggeber vor der Realisierungsphase vom Vertrag zurücktreten? Und zu welchen Bedingungen? Ziffer 21 der BSW/ASW-Grundsätze (welche nur zur Anwendung kommen, wenn sie Vertragsbestandteil geworden sind) sieht folgende Regelung vor: "Wird ein Auftrag vor seiner vertragsmässigen Erfüllung annulliert oder dessen Umfang wesentlich gekürzt, hat der Kunde die Agentur wie folgt zu entschädigen: a) Sofern sich der Auftrag im Konzeptionsstadium befindet 1/3 des ursprünglich vereinbarten Honorars, b) Sofern sich der Auftrag im Produktionsstadium befindet 2/3 des ursprünglich vereinbarten Honorars. Berechnungsbasis für die Entschädigung ist das ursprünglich geplante Budget. Leistungen, die nicht im Honorar inbegriffen sind, sind voll zu bezahlen. Der Agentur bleibt das Recht vorbehalten, wahlweise eine Entschädigung nach Aufwand geltend zu machen."
Zu beachten ist, dass nur derjenige auf Ersatz des Erfüllungsschadens klagen kann, der seinerseits bereit und gewillt ist, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (vergl. dazu BGE 115 II 55). Trifft dies zu, haben die "Versetzten" Anspruch auf Ersatz des Schadens, zu welchem auch der entgangene Gewinn zählt. Allerdings zeigen die juristischen Auseinandersetzungen über abgesagte Ausstellungen, dass von den Kunstschaffenden jedenfalls dann eine Schadenminderungspflicht verlangt wird, wenn ihnen der Kündigende Alternativangebote unterbreitet hat [BGH - III ZR 176/94 - 06.07.95; DRsp-ROM Nr. 1995/5346, wo auf die nachfolgenden Leitsätze verwiesen wird:
Grundregeln des Stellvertretungsrechts
Bei einer Vertretung ohne Vertretungsmacht wird, sofern auch keine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorliegt, der Vertretene zwar nicht zur Erfüllung des für Ihn abgeschlossenen Vertrages verpflichtet. Das steht jedoch der Zuerkennung eines auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichteten Schadenersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen nicht entgegen, wenn der Verhandlungsgehilfe vom Geschäftsherrn zum Verhandeln mit dem Dritten bestellt war und dabei die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
Dabei spricht bereits die Tatsache, dass ein Geschäft unternehmensbezogen ist, dafür, dass das Geschäft mit dem Unternehmer und nicht mit dem Erklärenden abgeschlossen werden soll.
Das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter kann dem Unternehmen aber nur dann zugerechnet werden, wenn diese den Kunden nicht daraufhin gewiesen haben, dass es sich nicht um ein Geschäft aus dem Programm des Unternehmens handelt.
Der Vertretene muss sich das Verschulden seiner Vertreter zurechnen lassen, weil er sich seiner zur Erfüllung der ihm bei den Vertragsverhandlungen obliegenden Sorgfalts- und Aufklärungspflichten bedient.
von Dr. iur. Bruno Glaus