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Wenn die Agentur die Bank spielt

Werbeagenturen sollen (oder wollen?) für Kunden bisweilen auch die Bank spielen. Die Motive sind vielfältig. Im Vordergrund steht der Komfort für den Kunden. Die Stellung der Agentur hat Folgen für die Steueradministration.

Grössere Projekte ziehen bisweilen eine Flut von Rechnungen nach sich. Selbst wenn die Agentur die Rechnungen zur Zahlung freigegeben hat, fehle dem Kunden die Transparenz - machen Kunden in jüngster Zeit geltend. Erst recht dann, wenn die Rechnung durch mehrere Hände geht, gehen muss. Das ist vor allem in Grossunternehmen der Fall.

Diese Klippe kann umschifft werden, wenn die Agentur die Bank (oder allenfalls gar Generalunternehmerin) spielt. Nicht mehr die einzelne Rechnung geht kundenseits durch alle Hände, sondern nur die Schlussabrechnung. Die Agentur zahlt die einzelnen Rechnungen der Lieferanten aus einem Kontokorrent, über das erst am Schluss abgerechnet wird.

Administrative Erleichterung ist allerdings nur das eine Motiv. Die Agentur übernimmt bei diesem Modell auch mehr Risiken. Auch Kreditrisiken. Die Agentur spielt die Bank. Man spricht von Delkredere-Kunden. Jedenfalls dann, wenn der Kunde nicht regelmässige und rechtzeitige Akonto-Zahlungen auf das Kontokorrent der Agentur leistet.

Mehrwertsteuerpflicht?
Wie steht es in diesem Fall mit der Mehrwertsteuerabrechnung? Wie wird das Agentur-Banking mehrwertsteuerrechtlich behandelt? Die Antworten darauf fallen - auch seitens der bei den Agenturen engagierten Treuhänder - zum Teil unterschiedlich aus. "persönlich" wollte Antworten von höchster Stelle. Sandra Capt vom Rechtsdienst der Hauptabteilung Mehrwertsteuer in der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) erklärte auf Anfrage von "persönlich", für Werbeagenturen gebe es keine eigene Branchenbroschüre. Sie verweist auf die Branchenbroschüre Nr. 16 (Liegenschaftsverwaltung/Immobilien). Die dort aufgeführten Grundsätze (für Verwaltungstätigkeit) kommen auch auf andere treuhänderische Verwaltungstätigkeiten zur Anwendung.

Kunde als Direktzahler, Agentur als Vermittler .....
Bei dieser - immer noch üblichen - Variante wird die Rechnung auf den Kunden ausgestellt. Die Agentur ist Weiterleiter, ist nur beratend, vermittelnd und kontrollierend tätig. Mehrwertsteuerrechtlich gilt jemand nur dann als direkter Stellvertreter (Vermittler) des mehrwertsteuerpflichtigen Kunden, wenn die Lieferung ausdrücklich im Namen und für Rechnung des vertretenen Kunden getätigt wird. Der Agentur-Kunde muss in der Buchhaltung des Lieferanten als Debitor und der Lieferant in der Buchhaltung der Kundin als Kreditor ausgewiesen werden. Sandra Capt: "Die Rechnung darf in der Buchhaltung der Agentur nicht erfolgswirksam verbucht werden". In der Buchhaltung des Lieferanten wird nicht die Agentur (sondern der Kunde) als Debitor geführt; in der Buchhaltung des Kunden werden sämtliche Lieferanten einzeln als Kreditoren aufgeführt. Die Agentur ist nur bezüglich ihrer eigenen Kreativ- und Beratungsleistungen Kreditorin.

..... nicht Adresse allein entscheidet
Rechnungen von Lieferanten dürfen durchaus an die Agentur (vergleichbar einer Verwaltung) adressiert sein, wenn die verrechneten Lieferungen oder Dienstleistungen ausdrücklich im Namen und auf Rechnung des Vertretenen getätigt werden (Art. 11 Abs. 1 MWSTG). Die Agentur gilt in diesem Fall nur als (nicht mehrwertsteuerpflichtige) Vermittlerin. Dies aber nur dann, wenn in der Rechnung des Lieferanten der Agentur-Kunde mit vollem Namen und mit voller Adresse zumindest im Betrifft-Vermerk bezeichnet wird. Im Adressfeld selbst kann die Agentur als Zustell-Adresse aufgeführt werden. Ebenfalls möglich ist die folgende Adressierung: Name der Agentur-Kundin, P.A. (Postadresse) Agentur.

Die Agentur als Zwischenhändlerin oder Generalunternehmerin
Bei dieser Variante werden sämtliche Lieferanten-Rechnungen auf die Agentur ausgestellt. Diese handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Es werden die Leistungen über die Aufwand- und Ertragskonti der Agentur "erfolgswirksam" verbucht. Wenn die Agentur zwar für fremde Rechnung, aber in eigenem Namen handelt, verliert die Agentur den Vermittlerstatus. Es liegen zwei unabhängige Rechtsgeschäfte vor, einerseits zwischen Lieferant und Agentur und anderseits zwischen Agentur und Kunde, welche beide steuerwirksame Geschäftsvorgänge sind (Art. 11 Abs. 2 MWSTG). Die Agentur verrechnet die Gesamtleistungen mit neuer Faktura an den Kunden und belastet Mehrwertsteuer. Gegenüber den Steuerbehörden kann die Agentur den Vorsteuerabzug geltend machen. (Mehrwertsteuerpflicht der Agentur und Möglichkeit zum Vorsteuerabzug).

Delkredere Rechnungen: Zahlbordereau-Modell
Bei dieser Variante wird der Vermittlerstatus beibehalten, der Lieferant stellt die Rechnung wie bei den weiterleitbaren Rechnungen auf den Namen des Kunden aus, die Agentur ist lediglich Zustelladresse. Die Lieferantenrechnung wird nun aber agenturseits auf einem Durchgangskonto erfasst. Der gesamte Bruttobetrag - Leistung und MWST - wird verbucht und an den Lieferanten bezahlt. Gegenüber dem Kunden wird nicht mehr Rechnung für Rechnung fakturiert, sondern ein Zahlbordereau verwendet. Auf dem Zahlbordereau wird keine Mehrwertsteuer abgerechnet. Peter W. Bächtiger hat diese Variante 1994 (noch unter altem Steuersystem) klären lassen: "Wenn das Zahlbordereau an den Kunden die von den Lieferanten in Rechnung gestellten Mehrwertsteuern separat ausweist, genügt das Zahlbordereau als Rechnungsbeleg. Dem Kunden fällt dadurch kein Mehraufwand an, er muss nicht jeden einzelnen Lieferantenkreditor erfassen, um die Vorsteuern geltend zu machen." 1994 hat die Steuerverwaltung dieses System validiert. Auf Anfrage des "persönlich"-Juristen hat die Steuerverwaltung bestätigt, dass diese 1994 gutgeheissene Variante nach wie vor Gültigkeit habe (siehe Kasten).

Mit andern Worten: Zur Vereinfachung der administrativen Abläufe kann die Agentur als direkte Stellvertreterin für die Kundin ein Kontokorrent führen, aus welchem laufend Rechnungen von Lieferanten bezahlt werden. Die Kundin überweist unter Umständen zum Voraus Akontozahlungen - wenn die Agentur nicht Kreditinstitut spielen soll. Das wäre mit Risiken verbunden. Sicherheiten müssten gestellt, Zinsen bezahlt werden. Das aber wollen Agenturen den treuen Kunden nicht zumuten. So wird ihre Banking-Dienstleistung zum Kundenbindungsinstrument.

Selbst- und kostenbewusste Agenturen versuchen mit den Kunden Zwischenlösungen zu finden. Dazu ein Diskussionsvorschlag für die Vertragsgestaltung:

AGENTUR führt für die Kundin treuhänderisch ein Kontokorrent, aus welchem die laufenden Rechnungen von Lieferanten und Dienstleistungsunternehmen bezahlt werden. Die Lieferanten werden angewiesen, die Rechnungen direkt an AGENTUR zu adressieren, im Betrifft-Vermerk aber deutlich, mit Angabe von Name und Adresse, zum Ausdruck zu bringen, dass Debitor die Kundin ist.

Die Bezahlung der Rechnungen aus dem Kontokorrent setzt weiterhin das Visum der Kundin voraus. Die Rechnungen werden in der Buchhaltung der Agentur nicht erfolgswirksam verbucht. In der Buchhaltung der Lieferanten wird nicht die Agentur, sondern die Kundin als Debitor geführt; in der Buchhaltung der Kundin werden sämtliche Lieferanten als Kreditoren aufgeführt. Die Agentur ist nur bezüglich ihrer eigenen Kreativ- und Beratungsleistungen Kreditorin.

Die Kundin leistet folgende Akontozahlungen auf das Kontokorrent:
a. Bei Projekten mit einem Gesamthonorar bis zu Fr. ........... eine Akontozahlung bis max. 50 Prozent des Gesamtbudgets spätestens 30 Tage nach dem Briefing.
b. Bei Projekten mit einem Gesamtbudget von mehr als Fr. ............. zwei Akonto-zahlungen bis max. 70 Prozent des Gesamthonorars, zahlbar eine erste Rate in der Höhe von 40 Prozent spätestens 30 Tage nach dem Briefing und eine zweite Rate in der Höhe von 30 Prozent je nach Verlauf der Realisations-Arbeiten.

Die Agentur legt der Kundin nach der Realisation eine Schlussabrechnung zu sämtlichen Bewegungen auf dem Kontokorrent einschliesslich einer Schlussabrechnung über die eigenen Aufwendungen vor. Der Mehraufwand für die kontokorrentbedingte Administration wird mit einer Pauschale von 1 Prozent der Gesamtaufwendungen, mindestens jedoch mit Fr. ..........entschädigt. Soweit die Agentur aus eigenen Mitteln Vorleistungen zugunsten des Kontokorrents erbringen muss, weil der vereinbarte Akontozahlungsrhythmus eine termingerechte Bezahlung der Lieferanten-Rechnungen nicht möglich macht, werden die Vorschüsse mit 5 Prozent verzinst."

 

Zahlbordereau und MWST: Das sagt die Steuerverwaltung:
• Die Rechnung muss grundsätzlich an den Kunden adressiert sein. Lautet die Rechnungsadresse dennoch auf die Agentur, so muss der Kunde anderswo auf der Rechnung, beispielsweise in der Betreffzeile, mit Name und vollständiger Adresse genannt werden. Ebenfalls möglich ist die peradressam Adressierung. Hier ist der Kunde mit Name und Sitz seiner Firma gemäss Handelsregistereintrag in der ersten Adresszeile zu nennen, gefolgt von der Anschrift der Agentur.

• Die Agentur begleicht die Rechnung und verbucht diese auf einem Durchlaufkonto. Auf keinen Fall darf sie in die Buchhaltung der Agentur einfliessen. Die Agentur darf aufgrund dieser Rechnung keine Vorsteuern geltend machen.

• Die Agentur erstellt gegenüber ihrem Kunden ein Zahlbordereau, worin sämtliche in seinem Auftrag erfolgten Zahlungen über eine bestimmte Periode aufgelistet sind. Auf diesem Bordereau muss vermerkt sein, dass die Zahlungen im Namen und auf Rechnung des Kunden beglichen wurden (z.B. Wir haben in Ihrem Namen und auf Ihre Rechnung folgende Leistungen bezahlt), damit eine direkte Stellvertretung vorliegt. Zur Gewährleistung der Prüfspur sind die Lieferanten auf dem Bordereau so aufzuführen, dass der Bezug zur Originalrechnung, welche dem Bordereau angeheftet sein muss, einwandfrei hergestellt werden kann, Vorausgesetzt, die Originalrechnungen erfüllen die in Art. 37 MWSTG genannten Anforderungen an einen mehrwertsteuerkonformen Beleg, kann der Kunde den Vorsteuerabzug aufgrund des Totals des Zahlbordereaus vornehmen.

 

Nachtrag zum Juni-Beitrag
Der Juni-Beitrag "Vertragsdiktat durch Werbeauftraggeber" in dieser Rubrik hat einige Wellen geworfen. Fredi Schwab, früherer SWA-Geschäftsführer, legt Wert auf die Feststellung, dass er in keiner Weise verantwortlich sei für den umstrittenen "Mustervertrag", und der SWA das besprochene "Muster" auch nie gebilligt habe.

Der "persönlich"-Beitrag hat das dringend notwendige (verbandsübergreifende) Gespräch zu vertragsrechtlichen Fragen generell und zu den unbestrittenen Usanzen im besonderen in Gang gesetzt. Sowohl die (revidierten) Branchengrundsätze von BSW als auch der Werbeleistungsvertrag von ASW (die modulare Verfeinerung der bisherigen Arbeitsgrundsätze) sind eine taugliche Ausgangslage, um gemeinsam mit dem SWA Usanzen zu definieren und durchzusetzen. Auch wenn sich Werbeauftraggeber und Agenturen nicht in allen Punkten einig sind, ist es doch anzustreben, dass sich in den Gesprächen zumindest ein Katalog unbestrittener Branchenusanzen herauskristallisiert.

Namhafte SWA-Mitglieder orientieren sich zur Zeit nicht entlang den bisherigen SWA-Empfehlungen (welche als Zusatzpapier zu den bisherigen "Arbeitsgrundsätzen" von ASW/BSW im Handel waren, jedoch kaum genutzt wurden im Geschäftsverkehr). Das sogenannte "SWA-Beiblatt" hat sich bei den Mitgliedern ganz einfach nicht durchsetzen können. Viele SWA-Mitglieder nahmen zu eigenen Vertragsvorlagen Zuflucht (fairerweise muss angefügt werden: teilweise auch die Werbeagenturen selbst!). Mit der fatalen Folge, dass sich in der Branche nur zu wenigen Fragen eine eigentliche Usanz bilden konnte (so beispielsweise zur Frage der vollen Urheberrechtsübertragung bei kennzeichnungskräftigen, langzeitlich zu nutzenden Werbemitteln).

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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