Ich habe mich für eine Stelle in einem Chiffre-Inserat beworben und bis heute keine Rückmeldung erhalten. Was kann ich tun?
A.B. aus Jona
Beim Chiffre-Inserat ist der Anbieter anonym und wird über eine sogenannte Chiffre, d.h. Identifikationsnummer und Adresse der Zeitung/Werbegesellschaft angeschrieben. Es stellen sich deshalb zwei Fragen: a) muss ein Arbeitgeber auf eine Bewerbung reagieren? und b) kann sich der Bewerber gegen den anonymen Arbeitgeber wehren?
Das Stelleninserat des Arbeitgebers ist lediglich eine Einladung zur Offertstellung; die Bewerbung eine Offerte (Art. 3 OR) an den Arbeitgeber. Zwischen dem anbietenden Arbeitgeber und dem Stellenbewerber ist durch die Bewerbung allein noch kein Vertragsverhältnis zustande gekommen. Für den anbietenden Arbeitgeber besteht somit keine vertragliche Pflicht zur Antwort auf eine Bewerbung. Erst wenn der Anbieter eine positive Rückmeldung an den Bewerber abgibt, lassen sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechende Pflichten ableiten (z.B. Informationspflicht über das weitere Vorgehen, eine allfällige Absage, usw.).
Den Arbeitgeber treffen aber in jedem Fall datenschutzrechtliche Pflichten: Eine Stellenbewerbung fällt unter das Datenschutzgesetz, weil sie personenbezogene Daten enthalten. Auch wenn der Bewerber für die weitere Selektion gar nicht in Frage kommt, muss der Anbieter die Bewerbungsunterlagen zurücksenden oder vernichten, weil der Arbeitgeber in diesem Fall kein berechtigtes Interesse an der weiteren Aufbewahrung der Bewerbungsunterlagen hat. Dies trifft selbstverständlich auch auf Bewerbungsunterlagen auf ein Chiffre-Inserat zu.
Weigert sich der anonyme Arbeitgeber trotz Abmahnung via Chiffre die Unterlagen zurückzusenden oder deren Vernichtung mitzuteilen, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Zeitung/der Verlag zur Mitwirkung und Unterstützung bei der Durchsetzung der Rechte verpflichtet ist. Hierzu gibt es keine explizite gesetzliche Regelung. Diverse Verlage und Werbegesellschaften sehen aber in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen explizit vor, dass die Identität des Chiffre-Inserenten bekannt gegeben wird, wenn Unterlagen mit personenbezogenen (d.h. persönlichen) Daten nicht zurückgesandt werden.
von MLaw et lic. oec. Nathalie Glaus, publiziert in Obersee Nachrichten